Wenn wir mit dem Jazztanz beginnen, während wir unsere ersten Triple Steps machen, lernen wir ihn oft als eine Kunstform der 20er bis 40er Jahre kennen. Aber selten bekommen wir einen tieferen Einblick in seine Geschichte. Vor allem in Deutschland denken wir an die antifaschistische Tanzbewegung der 40er Jahre (wie in “Swing Kids”), oder an die typischen Flapper-Girls der 20er und 30er Jahre in Fransenkleidern und mit Federschmuck. Erst später auf unserer Tanzreise bekommen wir ein Gefühl für seine tatsächlichen schwarzamerikanischen Wurzeln. Indem wir die Leute in der Szene darüber reden hören, Musik suchen und austauschen, schließlich Hellzapoppin’ sehen und etwas über Frankie Manning, Norma Miller, Al Minns, Dawn Hampton und so viele andere erfahren… Langsam aber sicher bekommt jeder, der bereits eine Weile getanzt hat, eine Vorstellung von seiner Geschichte.

Obwohl der Swing im Allgemeinen und der Lindy Hop im Besonderen gefeierte Kunstformen sind, die von Tag zu Tag populärer werden, werden ihre schwarzamerikanischen Wurzeln oft in den Schatten gestellt, wie es in einer systemisch rassistischen Gesellschaft auch zu erwarten wäre. Es wurde in den letzten Jahren deutlich, dass der historische Kontext und das gesamte kulturelle Erbe der schwarzen Amerikaner weder gewürdigt, noch ausreichend gelehrt oder besprochen wird.

Dies löste eine große Diskussion über Ignoranz und kulturelle Aneignung innerhalb der Szene aus.

Der Glaube, dass Tanz nicht politisch ist und auch nicht politisch sein sollte, ist weit verbreitet.
Die Leute scheinen manchmal zu denken, dass der Kontext nicht wichtig ist. Dass es uns den Spaß verderben würde, wenn wir Politik in unser Hobby hineinziehen würden. Aber wenn man die Wurzeln des Tanzes kennt und anerkennt, dass sich die schwarzamerikanische Kultur sehr von unserer eigenen weißen Kultur unterscheidet und daher andere Werte, eine andere Ästhetik und eine andere Dynamik hat, dann vertieft sich unsere Verbindung zum Tanz nur noch mehr.

” Es wird immer noch argumentiert, dass Lindy ein fröhlicher und reiner Tanz ist und deshalb nicht mit Politik in Verbindung gebracht werden kann (…). Aber wer sagt denn, dass politisch zu sein per se jede Freude negiert? (…) [für viele Schwarze] ist es die Vergangenheit, die traurig ist, während die Zukunft wesentlich mehr Potenzial birgt (Grey Armstrong für iLindy).”

Wenn man den Tanz und die Musik so sehr liebt wie wir, möchten wir dazu einladen, mehr über den kulturellen Hintergrund des Swings zu erfahren. Um dieser großartigen Kunstform auf wirklich respektvolle Weise nachzugehen, ist es uns wichtig, darüber zu informieren.

Aus diesem Grund haben wir einerseits kurze Beschreibungen der verschiedenen Stilrichtungen des Jazz-Tanzes und andererseits eine nicht erschöpfende Liste von Quellen zusammengestellt, die den Kontext zu den Tänzen liefern, von denen wir alle profitieren.

Viel Spaß bei der Lektüre 😊

Bild von Gjon Mili for LIFE, mit Willa Mae Ricker & Leon James. 23. August 1943

*Collective Voices For Change hat eine eigene Quellenseite, die viel ausführlicher ist als das, was wir hier mitteilen. Diese findet Ihr hier.

Was ist CVFC? In ihren eigenen Worten: “Collective Voices for Change (CVFC) ist eine internationale Initiative, die sich für den Aufbau eines neuen und gerechten sozialen Gefüges in der Jazztanzgemeinschaft einsetzt.” Wenn Du dieses Ziel unterstützen möchtest, kannst Du hier spenden.

Quellen

Non Fiction

– Swingin’ at the Savoy, Norma Miller

– Stomping the Blues, Albert Murray

– Moving to Higher Ground: How Jazz Can Change Your Life, Wynton Marsalis

Although Marsalis is a controversial figure due to his conservative views (more in this – partial- article), his understanding of Jazz as a form of pure democracy is an interesting tool to think about jazz culture. 

– Steppin’ on the Blues: The Visible Rhythms of African American Dance, Jacqui Malone

– Dance Floor Democracy: The Social Geography of Memory at the Hollywood Canteen, Sherrie Tucker

– Swing Shift: All-Girl Bands of the 1940s, Sherrie Tucker

– Notes and Tones, Art Taylor

– Blues Legacies and Black Feminism, Angela Davis

– Jookin’: The rise of social dance formations in African-American culture, Katrina Hazzard-Gordon

– American Allegory: Lindy Hop and the Racial Imagination, Black Hawk Hancock

– Aesthetic of the Cool: Afro-Atlantic Art and Music, Robert Farris Thompson & Lowery Stokes Sims

– Jazz (miniseries) – by Ken Burns.

 A Historical Perspective of Hip-Hop Dance, Moncell “ill Kozby” Durden

– The Spirit Moves, Mura Dehn (disc 1disc 2disc 3, disc 4 is not available except if you personally know Sylvia Sykes )

“A Blueprint For Cultural Inclusion” A Guideline for Instructors Teaching Black American Cultural Music and Dance Forms – Google Docs, Odysseus Bailer

– Let’s Talk about Lindy Hop and Blackness – How did we get here? – YouTube. This is Jo Hoffberg interviewing Grey Armstrong about his “Let’s talk about Lindy hop and Blackness” series of articles.

– A Blackness and Blues Blog – Obsidian Tea

– 100 years of Social Partner Dancing in African American Communities, Damon Stone

– Savoy Ballroom Benny Goodman vs Chick Webb – Frankie & Norma talking about Chick Webb & Benny Goodman battling

Swim Out Costa Brava 2022 – Jazz Culture Talk with Remy Kouakou Kouame & Helena Martins

In this video, Remy talks in an uncomplicated and approachable manner about casual racism, tokenism, cultural appropriation, the importance of context and his vision for Lindy Hop. The video has markers to help you navigate the conversation if you want to get quickly to a special point.

– Dance roles in Lindy Hop – a conversation with Marion Quesne

(Here is a Link to a google document with all the ressources mentioned in the conversation)

Fiction

– Song of Salomon, Toni Morrison

– Beloved, Toni Morrison

– Homegoing, Yaa Gyasi

– The Underground Railroad, Colson Whitehead

– Go Tell it on the Mountain, James Baldwin

– The Hate U Give, Angie Thomas

– Erasure, Percival Everett

– How the Word is Passed, Clint Smith

– Corregidora, Gayl Jones

If you’d like to purchase any of these books, please consider supporting the amazing Albatros bookstore of our fellow dancer Michael. 

– Why We Matter, Emilia Roig

If you have never really understood what intersectionality means, or are confused by systemic oppression, start with this book. It is really well written, has both deep theoretical insights as well as personal anecdotes and is ENTIRELY ON SPOTIFY IN GERMAN for you to listen to! How great is that? Open it here in Spotify

– Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten, Alice Hasters

– Afrikanische Europäer, Olivette Otele

– Afropean: Notes from Black Europe, Johny Pitts

– The Black Myths Podcast Open it here in Spotify

Was ist Jazztanz?

Lindy Hop

Blues

Balboa

Shag

Was ist "Authentic" Jazz?

Harri Heinilla, in seinem Artikel What is Authentic Jazz, sagt folgendes dazu:

Hier sind einige wichtige Merkmale des Authentic Jazz:

Der wichtigste Teil des Authentic Jazz ist die Individualität. Jede:r Jazztänzer:in ist anders. Man sollte niemanden genau kopieren.

Der Rhythmus ist im Authentic Jazz sehr wichtig. Pepsi Bethel hat zum Beispiel gesagt: Ohne Rhythmus geht es nicht. Der Rhythmus ist wichtiger als die Bewegungen, die man macht. Es gibt keine bestimmte Art und Weise, die Bewegungen im Authentic Jazz Dance auszuführen, aber der Rhythmus muss stimmig sein.

Alles sollte im Jazztanz von der Musik begleitet werden. Wenn man Musik hört und Jazz Dance tanzt, hat man einen Dialog mit der Musik. Man kommuniziert mit der Musik und ist als Instrument Teil des Orchesters, wie zum Beispiel Mura Dehn* in ihrem Dokumentarfilm The Spirit Moves erklärt hat.

Das ist authentischer Jazztanz.

*Mura Dehn ist eine komplexe, umstrittene Figur.

In Mabel Lee’s Performance von Chicken Shack Shuffle, kann man wunderbar ein paar “Klassiker” des Solo Jazz’ erkennen, unter anderem: Fish Tails, Fall of the Log, Kick Ball Change, Tabby the Cat, etc…

 

In diesem Video tanzt Helena Kanini Kiiru heute viele von den selben oben genannten Schritten, auf ihrer eigenen Art. 

➨ Am Dienstag Abend kannst du bei uns deine Solo Moves auffrischen! Hier sind die Infos.

Was ist Lindy Hop?

Die Online Plattform iLindy hat auf ihrem Instagram eine kurze aber dennoch ausführliche Beschreibung von Lindy Hop gegeben: 

Lindy Hop ist ein schwarzer amerikanischer Tanz, der in den späten 1920er Jahren in Harlem, New York City, entstanden ist. Er wurde hauptsächlich in großen Ballsälen wie dem Savoy Ballroom in New York getanzt und entwickelte sich zusammen mit der populären Musik der Zeit, die von Afro-Amerikanischen Big Bands gespielt wurde.

Der Tanz entwickelte sich aus einer Kombination früherer Tänze wie dem Charleston, dem Breakaway, dem Texas Tommy und dem Cake Walk. Alle diese Tänze wurden zu früher Jazzmusik getanzt.

Jeder dieser Tänze hat tiefe Wurzeln im westafrikanischen Tanz, in der westafrikanischen Musik und in der westafrikanischen Kultur* und teilt daher die gemeinsamen Werte des schwarzen amerikanischen Gesellschaftstanzes, wie Individualität, Spontaneität, Rhythmus und Improvisation.

*Es gibt auch Einflüsse von europäischen Tänzen im Lindy Hop und im Jazztanz allgemein (wie Böhmische Polka oder Irischer Stepptanz). Dennoch ist der westafrikanische Einfluss WEIT überragender.

In diesem Video kann man einige Tänzer:innen der Ersten Generation von Lindy Hoppern sehen. Hier sind es Mattie Purnell und Shorty George Snowden. Mehr Infos sind in der Beschreibung des Videos zu lesen.

Die Zweite Generation, vor allem durch Whitey’s Lindy Hoppers und deren unglaublichen Air Steps repräsentiert*. Hier kann man Norma Miller, Leon James, Troy Brown, Dorothy Miller, Johnny Smalls, Snooky Beasley, Willa Mae Ricker, Ella Gibson, und George Greenidge sehen.

*Die Air Steps wurden von Frankie Manning erfunden, der jedoch nicht auf diesem Video zu sehen ist. 

Die Dritte Generation wird oft durch das falsche Narrativ des “Revivals” in de Schatten gestellt.

Zu den wichtigsten Tänzer:innen zählen “Big Nick” Nicholson, Teddy Brown, George und “Sugar” Sullivan, Barbara Billups und “Mama Lou” Parks.

➨ Wir haben ganze drei Abende wo du Lindy Hop mit uns tanzen kannst!  Hier sind die Infos.

Was ist Blues?

Der Forscher Grey Armstrong beschreibt Blues als Musik und seinen Tanz so:

“Blues als Tanz ist eine Sammlung von Volkstänzen, die viele Tänze kombiniert und erforscht. Diese Bewegungen sind historisch: Sie wurden von Generation zu Generation weitergegeben.

Der Bluestanz ist eng mit der Entwicklung der Bluesmusik verknüpft. Es gibt Überschneidungen bei den verschiedenen Stilen und Genres, und er stammt aus einer ähnlichen Kultur.”

Damit sollte klar werden: Blues ist sehr vielfältig und komplex und fordert von Tänzer:innen vor allem Authentizität und kulturelles Verständnis.

Wie die meisten Tänze die bei Swing Man Tau e.V. angeboten werden, sind auch die Wurzeln (und die vielen Zweige) vom Blues in der afro-amerikanischen Kultur zu finden.

Dieses Video ist 17 min lang. Wenn ihr nur 3 min zu Verfügung habt, werdet Ihr dennoch die Athmosphäre von einem Mississippi Honky Tonk voll mitkriegen. Mit dem berühmten RL Burnside als Musiker.

Damon Stone und Laura Chiekos Performance beim Blues Shout in 2016. Hier kann man Texas Shuffle Moves (Damon’s Footwork) erkennen.

Ioanna und Alex beim Round Midnight (ein Festival in Athen). Hier sieht man viel Struttin’ (das ineinander lehnen) und man kann wunderbar ihr Call and Response Spiel verfolgen.

➨ Du möchtest gerne mit uns Blues tanzen? Schau am Donnerstag Abend vorbei. Infos hier.

Was ist Balboa?

Hier ist ein Artikel von Bobby White von Swungover, der sehr ausführlich die Geschichte des Balboas beschreibt (auf Englisch).

Als sehr kurze Zusammenfassung des Artikels, könnte man Balboa so beschreiben: Es ist ein Paartanz, der in den späten 30er in überfüllten Tanzsälen in Kalifornien entstanden ist (Balboa ist ein Ort in Kalifornien). Er wird meistens “klein” getanzt, auf eher schnellere Jazzmusik und er hat eine sich drehende Dynamik. 

Man kann zwischen drei Arten von Balboa unterscheiden:

  • Pure Balboa/ Strict Balboa
  • SoCal (für Southern California) Swing
  • Bal-Swing

Da es sich um so genannte “Street Dances” handelt, ist es klar, dass sie sich ganz unabhängig von festen Regeln und Strukturen entwickelt haben. Sie wurden einerseits regional unterschiedlich getanzt und haben sich andererseits durch äußere Einflüsse verändert und entwickelt. Sicher ist nur, Balboa ist in Süd Kalifornien entstanden, wurde zu Jazz getanzt, hauptsächlich von Schüler*innen und Student*innen und ALLE haben Balboa getanzt. Egal ob reich oder arm, schwarz oder weiß, alle haben auch miteinander getanzt (im Gegensatz zu dem was die Filme aus den 40′ zeigen).

Alle unterschiedlichen Balboastile zu beschreiben wäre hier ist mühsam. Guckt euch am liebsten die Videos an 😉 

Pure Balboa/Strict Balboa. Elegant, kompakt, Brust an Brust. Dadurch sind die Beine frei und geben Raum für komplexere Footwork Variationen. Dennoch heben die Füße kaum vom Boden ab – man will ja im überfüllten Saal nicht die daneben tanzenden Paare in die Schienbeine treten. Anscheinend gab es schon in den 20er ähnliche Tänze (wie der Charleston) aus denen sich Pure Balboa entwickelt hat.

SoCal-Swing/L.A Swing. So tanzte man in Kalifornien bevor Whitey’s Lindy Hoppers zur West Coast kamen und das tanzen dort nachhaltig änderten. Viel Footwork und drehende Dynamik sind hier wiederzuerkennen. Zwischen durch wird auch Shag getanzt! In dem Video kann man Hal & Betty Takier sehen (sie trägt ein weißes Kleid mit dunklem Gürtel, er eine schwarze Hose mit hellem Shirt), absolute Stars der Balboa Szene. 

Bal-Swing ist aus der Mischung zwischen beiden oben genannten Tänzen entstanden, vor allem durch Tänzer*innen wie Willie Desatoff, Maxie Dorf, Anne Mills, und Natalie Esparza. Entscheidend dafür ist die “Out-and-In” Bewegung, die man in diesem Video wunderbar erkennen kann. Bei 02:14 spricht es Maxie Dorf direkt an. Da tanzt er mit einer weiteren Legende des Balboas, Sylvia Sykes.

➨ Du möchtest auch Balboa tanzen? Schau am Dienstag Abend bei uns vorbei. Infos hier.

Was ist "Collegiate" Shag?

Collegiate Shag ist einer der Swingtänze aus den 20er/30er Jahren in den USA. Er ist leichtfüßig, flott und kann bei wenig Platz und zu schneller Musik “entspannt” getanzt werden.

Wenn Ihr neugierig geworden seid und noch mehr zu dem Tanz wissen wollt, findet Ihr hier noch mehr Infos (http://collegiateshag.com/) oder inspirierende Videos. Aber viel wichtiger: Kommt vorbei und lernt diesen tollen Tanz!

➨ Du möchtest Shag lernen? Schau am Donnerstag Abend bei uns vorbei. Infos hier.

Bibliothek

Wir haben in unserer Lindy Hop Community einen Buchhändler, Michael, der speziell für uns in seiner Buchhandlung ein Regal rund ums Thema Black American Dances hat. Hier findest du alles über Blues, Lindy Hop, Musik und Tanz sowie Kultur. Ein Käffchen gibt’s auch noch dazu. 🙂

 

Aktuelle Liste:

Stomping the Blues, Albert Murray

The Secret Language of the Blues. What the Lyrics really mean, Robert Cremer

–  Jookin’: The rise of social dance formations in African-American culture, Katrina Hazzard-Gordon

Go Tell it on the Mountain, James Baldwin

The Bluest Eye, Toni Morrison

Modern Moves: Dancing Race During the Ragtime and Jazz Eras, Danielle Robinson

Was sind deine Vorteile als Mitglied des Vereins?

– du kannst die Swing Szene mitgestalten!

– du kannst an allen Kursen teilnehmen für max. 180€/Jahr.

– du kriegst Ermäßigungen auf die Workshops und Festivals, die wir organisieren.

– du bist versichert, falls dir ein Sportunfall beim Training passiert.

– du hast Zugang zu einer Swing und Jazz Bibliothek